Margunet
Informationen zur Route
Beste Jahreszeit
Beschreibung
Wir beginnen unsere Wanderung beim Parkplatz 8. Eine andere Möglichkeit ist der Einstieg bei P9. Wir beeilen uns, von P8 und der Straße wegzukommen. In der Saison herrscht hier starker Verkehr, der oftmals nicht in den gesetzlich vorgeschriebenen Geschwindigkeitslimiten abläuft. Um den Fußgänger zu schützen, wurden bei allen kritischen Ein- und Ausgängen entlang dieser Straße so genannte Schikanen eingebaut, die verhindern, dass insbesondere Kinder von den Wanderwegen her in den Verkehr laufen und sich gefährden. Schon nach wenigen Minuten verringert sich die Störung durch den Verkehrslärm. Langsam können wir uns auf unsere Wanderung besinnen.
Nach einer blumenreichen Lichtung wandern wir durch einen gleichförmigen Bergföhrenwald, der vor etwa 150 Jahren zum letzten Mal radikal abgeholzt wurde. Seither ist der Wald wieder herangewachsen und viele Bäume haben ihr Lebensalter erreicht und sterben ab. Infolge des trockenen Klimas bleiben abgestorbene Bäume über Jahrzehnte stehen und umgestürzte Bäume verrotten nur langsam. Dadurch entsteht ein auf den ersten Blick chaotisches Waldbild, das viele Menschen beunruhigt. Gute Beobachter entdecken am Fuße von Bergföhren Bündel kleiner Bäumchen, deren bläulich-grüne Nadeln geschmeidig und weich sind: Arven aus nicht wieder aufgefundenen Arvennuss-Verstecken des Tannenhähers. Erneut öffnet sich der Wald in eine kreisrunde Lichtung.
Vom Weg aus sehen wir, dass sich die Vegetation nicht vollständig geschlossen hat. Ein Blick durch den Feldstecher lässt uns erkennen, dass Holzkohle gebrannt worden ist, eine Holzverwertungsform, die hier früher häufig war. Dieses Beispiel zeigt uns deutlich, dass Nutzungswunden in der Natur auch nach 100 Jahren noch immer nicht verheilt sind. In diesem Waldstück hören wir im Sommer gelegentlich das Betteln junger Sperber. Auch Meisen treffen wir häufig an. Manchmal überfliegt ein Trupp lärmiger Fichtenkreuzschnäbel den ausgedehnten Wald, Eichhörnchen huschen durch das Gewirr der graubraunen Äste oder keckern verärgert hinter einem Baum hervor. Wenn wir uns der Alp Stabelchod nähern, ist Vorsicht angezeigt. Im stufigen Saum des Föhrenwaldes äsen nicht selten Hirsche oder Rehe. Auch Gämsen suchen das reiche Futterangebot der Alp auf. Wir treten auf die offene Alpweide und überblicken erst einmal die Murmeltierbaue. Dann suchen wir den Himmel ab, ob vielleicht bereits von hier aus ein Bartgeier zu entdecken ist.
Über die teilweise üppig bewachsene Alp wandern wir zur Hütte Stabelchod. Für viele Kurzbesucher des Parks endet die Wanderung bereits hier. Die Alphütte dient den Parkwächtern als Basis. Sie ist dem Besucher nicht zugänglich. Gleich neben dem Rastplatz in nordöstlicher Richtung liegen die Fundamente der früheren Alpgebäude, die schon vor Jahrzehnten zusammengebrochen und durch die heutige Hütte ersetzt worden sind.
Unser Weg führt weiter in die enger werdende Schlucht der Val da Stabelchod, dem rauschenden Bach entlang, den wir auf einer Holzbrücke überqueren. Etwas unterhalb der Brücke sind in den Felsen auf der gegenüberliegenden Seite Reste von Gletschermühlen zu erkennen, die dem Jahrtausende dauernden Abrieb durch das Wasser und dem Geschiebe nicht standhielten und auseinander gebrochen sind. In einem kurzen Zickzack überwinden wir eine Felsnase und überqueren dann einen Seitenbach und später erneut die Ova da Stabelchod. Langsam lassen wir die Zone der Aufrechten Bergföhre hinter uns und erreichen die Legföhrenfelder.
Der Blick weitet sich überraschend. Wieder überstreichen wir kurz den Himmel, um ja keinen der allenfalls fliegenden Bartgeier zu verpassen. Die riesigen Schutthalden fallen auf und die merkwürdigen, spitzen Dolomittürmchen, die wie Hinkelsteine wirken. Eine Tafel des Naturlehrpfads weist auf den Bartgeierhorst hin. Hier wurden zwischen 1991 und 2007 insgesamt 26 junge Bartgeier ausgewildert. Einem murmelnden Bächlein entlang treten wir auf den breiten Lawinenhang, auf dem der Rastplatz Val da Stabelchod eingerichtet ist. Dort angekommen, halten wir Rast. Auf Murteras da Stabelchod, den alpinen Weiden an der Westabdachung des Piz Nair, ruhen oft Hirsche oder äsen Gämsen. Nicht selten kreisen hier Adler oder Bartgeier.
Oft fällt es schwer, sich loszureißen von diesem exzellenten Beobachtungspunkt. Dennoch steigen wir höher in einem langgezogenen Zickzackweg vorbei an Edelweißmatten und tiefblauen Clusius-Enzianen, gaukelnden Tagschmetterlingen oder schnarrenden Heuschrecken. Eine wilde Bergdohlenschar schiesst in rasendem Flug daher und versucht, von den Touristen etwas Fressbares zu ergattern. Nun erreichen wir Margunet auf 2328 m, den höchsten Punkt unserer Tour. Das Panorama ist beeindruckend. Es lohnt sich, hierher eine Karte im Massstab 1: 100 000 mitzunehmen, um die Berggipfel in der weiteren Umgebung benennen zu können. Mit etwas Geduld entdeckt der Wanderer Gämsen, manchmal ganze Rudel mit Müttern und Kitzen, die in akrobatischer Manier Kapriolen schlagen.
Nach einer Rast wenden wir uns zuerst nach Norden, biegen nach Westen und steigen in die Val dal Botsch ab. Schnell verlieren wir Höhe und nähern uns dem Talboden, wo wir die Ova da Val dal Botsch überqueren. Hier zweigt der Pfad ab, der über die Fuorcla Val dal Botsch in die Val Plavna und Mingèr führt. In den bizarren Felsen an der linken Talseite können wir oft Gämsen beobachten.
Wir steigen anschliessend über gewaltige Schuttkegel, die von Murgängen aus den grossflächigen Geröllhalden herabgespült werden. Nachdem die Murmeltierkolonie beim Rastplatz Val dal Botsch während Jahren verwaist war, haben sich wieder Tiere angesiedelt, die trotz der exponierten Lage überleben. Nach der Durchquerung des Legföhrengürtels treten wir ein in besonders schöne Bestände der Aufrechten Bergföhre mit einer dichten Bodenvegetation, die uns begleiten, bis wir den P7 erreichen (keine Postauto-Haltestelle!). Von dort wandern wir entweder zurück zu P8 oder P9 oder, was zu empfehlen ist, wir überqueren die Ofenpassstrasse und wählen den Pfad nach Westen in Richtung Il Fuorn.
Nach einem kurzen Abstieg setzen wir auf einer schönen Brücke über die Ova dal Fuorn und finden uns nach kurzer Strecke am Ufer des rauschenden Baches in einem feuchten Mischwald aus Föhren, Fichten und Lärchen, ein auffälliger Gegensatz zum Bergföhrenwald, der uns bis hierher begleitet hat. Nach einer kurzen Strecke erreichen wir den Rand der Wiesen des Ofenberggutes. Dort bleibt unser Blick hängen an einer grossen, merkwürdig kahlen Fläche am Südabhang des Piz dal Fuorn, einer Lücke im God da Simi. Dies ist eine Waldbrandfläche, die 1951 durch Unachtsamkeit entstanden war. Seit dem Brand wird diese Parzelle wissenschaftlich untersucht, wobei besonders die Frage interessiert, weshalb sie im Lauf eines halben Jahrhunderts nicht mit Bäumen eingewachsen ist. Nach der Betrachtung dieses nur langsam vernarbenden menschlichen Eingriffs in die Parknatur bringen wir die letzte Wegstrecke hinter uns und erreichen unser Ziel, Il Fuorn.
Der Ofenpass ist eine eigentliche Vogelzugstraße. Im großen Trog zwischen Munt la Schera und Piz dal Fuorn ziehen Vögel zwischen dem Münstertal und dem Engadin. Dem geübten Beobachter entgehen die oft halbwüchsigen Steinadler nicht, die an der Südflanke des Piz dal Fuorn kreisen oder die vielen Singvögel, die in den Waldsäumen des Ofenberggutes rasten und Nahrung suchen. Für Wanderer mit einem speziellen Interesse an der Vogelwelt ist hier deshalb besondere Aufmerksamkeit angezeigt.
Rückreise: Mit dem Postauto ab Parkplatz 8 oder Il Fuorn. Vorsicht: Parkplatz 7 und 9 sind keine Postautohaltestellen!