Interview mit Gaudenz Flury
Im Interview mit der SOB spricht er über richtige Prognosen und den Klimawandel
Der naturbegeisterte Bündner ist in Davos aufgewachsen, bevor er in Zürich Geographie mit Vertiefung Atmosphärenphysik studierte. Seit 2012 ist Gaudenz Flury als Medienmeteorologe bei SRF Meteo tätig, wo er Wetterprognosen erstellt und Meteo-Sendungen moderiert.
Was hat Sie bewogen, den Beruf des Meteorologen zu wählen?
Eine Kombination aus Zufällen und Vorspuren in der Ausbildung. Interesse war schon in der Mittelschule da. Durch den Sport war ich viel draussen. Für die Langlaufrennen war es wichtig für mich zu wissen, wie das Wetter am nächsten Tag sein wird. So versuchte ich «meine eigene» Prognose zu bauen, um meine Skis richtig wachsen zu können. Im Studium habe ich mich dann konsequent auf Wetter und Klima ausgerichtet. Dass ich dann einen Job bei einem der wenigen «Wetterdienstleister» bekommen habe, ist auch Zufall und Glück. Auch nach 10 Jahren als «Wetterfrosch» bereue ich meine Berufswahl keinen Augenblick.
Seit 1956 gibt es bei SRF Wettervorhersagen. Heute sogar bis sieben Tage in die Zukunft. Wie entstehen die Wetterprognosen bei SRF Meteo?
Unsere Prognosen basieren, wie bei allen Wetterdiensten, auf Wettermodellen. Mit der sogenannt numerischen Wettervorhersage wird das Wetter für ein paar Tage in die Zukunft berechnet. Wir bei SRF Meteo sichten jeden Tag mehrmals die für Mitteleuropa relevanten Wettermodelle und «bauen» daraus im Team unsere Prognose. Da spielt auch die Erfahrung eine wichtige Rolle. Jedes Modell hat Stärken und Schwächen. Mit dem Wissen darüber versuchen wir dann, die realistischste Prognose zu machen. Es ist auch immer wieder eine Herausforderung, die richtigen Worte zu finden. Vor allem dann, wenn der genaue Wetterablauf nicht so klar ist.
Wie oft liegen die Prognosen richtig?
Es gibt Kolleginnen und Kollegen, die sagen, dass man für den kommenden Tag bei 90 bis 95% liegt. Ich halte nichts davon. Denn was ist eine richtige Prognose, wenn ich am Radio eine Prognose für die nächsten fünf Tage für die ganze Schweiz mache? Wenn ich 27 Grad vorhersage und es 25,5 Grad gibt, ist das falsch? Wenn ich sage, es könne lokal kurz nass werden, und es nur auf der Grenze zu Österreich einen Schauer gibt, stimmt meine Prognose dann oder nicht? Wenn ich 5 Stunden Sonnenschein vorhersage und es in Basel 7 und in Bern 5 Stunden gibt, ist das dann ein Punkt für mich oder nicht? Wo ist es in der Schweiz am häufigsten schön und wo ist das Wetter am schlechtesten? Hach, was heisst schon schön? Was heisst schon schlecht? Nach einer langen Trockenphase ist es doch dort am schönsten, wo es regnet. In der Schweiz können alle ihr Lieblingswetter bekommen. In unserem Land kann man fast jedes Wetter erleben, wenn man will. Am meisten Sonnenschein wurde zwischen 1991 und 2020 auf der Cimetta oberhalb von Locarno registriert, im Schnitt 2 256 Minuten pro Jahr. Am meisten Regen in derselben Periode gab’s auf dem Säntis mit 2 840 Millimeter pro Jahr.
Warum kommt es in der Schweiz immer häufiger zu Hitze und Kältewellen und anderen Wetterextremen?
Mehr Hitzetage sind eine direkte Folge des von uns Menschen gemachten Klimawandels. Das ist ein Fakt. Diesbezüglich gibt es wissenschaftlich gesehen nichts mehr zu deuteln. Im Gegenzug werden Kältewellen immer seltener, nicht aber die Frostschäden. In einem wärmeren Klima treiben Pflanzen früher aus; ein Kaltlufteinbruch trifft diese dann hart.
Wie gehen Sie persönlich mit dem Klimawandel um?
Der Klimawandel war in meiner Kindheit noch kein Thema, obwohl es schon vor meiner Geburt wissenschaftliche Studien darüber gab. Erst Ende der neunziger Jahre wurde mir die Problematik in der Mittelschule bewusst. Mein Studium begann 2001. Die Fachleute wussten damals schon sehr genau Bescheid. Das ist nun mehr als 20 Jahre her, wir haben leider sehr viele Jahre verpasst. Ich kann natürlich verstehen, dass viele Leute heute besorgt sind. Das sollten wir auch. Sorgen machen bringt aber nicht viel, wenn wir Menschen dann nichts unternehmen, um im Leben etwas zu verändern. Haben Sie Ihr persönliches Verhalten verändert, seit der Klimawandel in aller Munde ist? Ich wohne heute nahezu CO2-neutral und ich fahre mit dem Velo zu Arbeit. In meiner Freizeit und bei der Ernährung bin ich allerdings noch nicht perfekt. Aber ich arbeite daran.
Gaudenz Flurys Tipp - Hochebene Palfries
Schon die Fahrt mit der nostalgischen ehemaligen Militärseilbahn ist ein Erlebnis (Fahrt unbedingt vorreservieren). Oben auf der Hochebene Palfries erwarten Sie ein herrliches Panorama und ein weites Netz an Spazier- und Wanderwegen für Familien und Berggängerinnen und -gänger.
Anfahrt: mit dem IR Aare Linth nach Sargans, mit dem Bus 433/441 nach Heiligkreuz Ragnatsch, mit der Seilbahn auf die Hochebene Palfries