Fichtenurwald Scatlè

Description

Lage Scatlè in Brigels ist einer der wenigen Urwaldreste der Alpen, zudem der höchstgelegene Fichtenurwald Europas. Er erstreckt sich von 1580 bis 2015 m ü. M. Scatlè heisst er, weil er "eingeschachtelt" liegt zwischen den Felswänden von Crap Fronsch im Westen und dem Flembach im Osten und die Felsblöcke eines alten Bergsturzes überzieht. Die südliche Grenze bildet ein Lawinenzug.

Geschichte Seit Menschengedenken erfolgten im Urwald Scatlè keine Nutzungen. Davor schreckten äusserst ungünstige Bringungsverhältnisse die heimische Bevölkerung ab. Pollenanalytische Untersuchungen vermochten bis ins 13. Jahrhundert zurück nachzuweisen, dass menschlicher Einfluss in diesem Wald nirgends spürbar ist, weder durch Köhlerei, noch durch Waldweide oder Holznutzung.

Eine kleine Fläche von 5.05 ha konnte bereits 1911 vertraglich vollständig geschützt und jeglicher Nutzung entzogen werden. Im Jahre 1965 erfolgte eine Erneuerung des Vertrages und die Ausdehnung der Fläche auf 9.13 ha. Ein Lawinenniedergang (1984), ein Windwurf (1990) und Käferbefall haben den Urwaldrest mehrmals gefährdet. Zudem drangen immer wieder Ziegen in die Fläche ein und stellten die natürliche Verjüngung des Waldes in Frage. Deshalb wurde um das Kerngebiet herum ein Schutzbereich geschaffen, sodass das heutige Naturwaldreservat rund 24 ha umfasst. Ab 1.1.2000 konnte es für weitere 50 Jahre vertraglich gesichert und mit einem Nutzungsverzicht belegt werden.

Besonderes Noch heute - genauso wie bei der Gründung des Reservates im Jahre 1911 - entzückt das Kleine, das Unscheinbare in diesem Fichtenurwald. Junge Fichten wachsen bevorzugt auf Baumleichen und vermodernden Baumstrünken. Bei genauem Hinsehen lässt sich diese Strategie an ausgewachsenen Bäumen nachvollziehen. Wo heute stelzenartige Gebilde einen Baumriesen tragen und diesen gegenüber Stürmen und Schneelast widerstandsfähig machen, befand sich einst ein Stock eines abgebrochenen Baumes. Ausserdem besiedeln ganze Scharen kleiner Fichten halb verrottete Baumleichen, bevorzugt durch die raschere Ausaperung, oder wachsen gleich neben einem liegenden Stamm, geschützt vor Schneegleiten und manchmal auch unbemerkt vom Äser des Wildes. Das geübte Auge findet vielleicht da und dort grosse Bäume in einer Reihe angeordnet, welche dasselbe Verhalten vor 200 oder 300 Jahren verraten.

Ein Wald mit 300 - 400-jährigen Bäumen braucht nicht gleich viel Nachwuchs wie etwa ein Wirtschaftswald mit erwünschten Baumaltern von maximal 150 - 200 Jahren. Im Scatlè kann beobachtet werden, wie junge Bäume mehrere Jahrzehnte lang im Halbschatten der Mutterbäume verharren, um dann bei genügend Licht plötzlich in die Höhe zu schnellen. Die älte¬sten Fichten weisen ein stattliches Alter von bis zu 650 Jahren auf.

Eine Besonderheit des Scatlè sind die grossen Felsblöcke aus Verrucano-Ge-stein. Der Bergsturz hat ein verzweigtes Höhlensy¬stem geschaffen. An vielen Orten kann man einen Kaltluftstrom wahrnehmen. Dieser kommt dadurch zustande, dass im oberen Teil des Urwaldes Luft in die Felsspalten eindringt, sich im Inneren abkühlt und aufgrund seiner Schwere durch die vielen Lufträume absinkt. Die nachdrängende Kaltluft bedingt den in unteren Lagen austretenden Luftstrom. Diese Erscheinung kann einen erheblichen Einfluss auf den Verjüngungs- und den lokalen Ausaperungsprozess haben.

Bedeutung Seine hervorragende Bedeutung verdankt Scatlè in erster Linie seiner Einzigartigkeit und Unberührtheit. Dies hat es zu einem naturkundlichen Monument von internationalem Rang gemacht. Zahlreiche Beobachtungen und Forschungsergebnisse im kleinen Urwald waren wegweisend für das Verständnis des Gebirgswaldes und die naturnahe Pflege der Schutzwälder. Langzeitforschung wird weitere Erkenntnisse liefern können.

Ausstattung Durch das Urwaldreservat Scatlè führt kein markierter Wanderweg. Es ist wegen der grossen Felsblöcke, Löcher und Klüfte schwierig begehbar.

Führungen Für den Besuch des Urwaldes wird empfohlen, sich einer fachkundigen Leitung anzuschliessen. Das Erlebnis ist erheblich grösser, wenn die Beobachtungen an geeigneten Stellen gezeigt, erklärt und in einen grösseren Zusammenhang gestellt werden. Zudem ist das kleine Urwaldreservat für den Massentourismus zu wenig geeignet, weil die vorhandenen Strukturen und Verjüngungen durch unvorsichtiges Betreten Schaden erleiden würden.

Localisation
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